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Nachdem der Pilotfilm inzwischen online ist, gibt’s heute einen kleinen Einblick in die grundlegende Arbeit, die die Basis jeden Films bildet: das Drehbuch. Um sich nicht im Irrgarten einer Handlung zu verirren – vor allem auch im Hinblick auf moderne, nichtlineare Erzählstrukturen –, ist es äußerst hilfreich, einen roten Faden zu haben, der einen da hindurch leitet. Zum Handwerkszeug eines Drehbuchautors gehört demnach u. a. ein Grundgerüst, um den Verlauf seines Plots zu gestalten. Natürlich gibt es mehrere Entwürfe für so etwas, und jeder große Drehbuchlehrer hat so seine eigenen Vorstellungen davon (Syd Field und John Truby wären hier etwa als bekannte Beispiele zu nennen). Ich persönlich bevorzuge in diesem Zusammenhang eine Herangehensweise, in der die Strukturen uralter Mythen aufgegriffen werden, wodurch sie meinem Wesen sehr entgegenkommt.

Beim Verfassen von Drehbüchern orientiere ich mich daher gerne an diesem dramaturgischen Modell (das sich übrigens nicht nur vorzüglich fürs Schreiben eignet, sondern sich auch perfekt auf den Alltag übertragen läßt): Es handelt sich um die “Reise des Helden”.

Dieser Begriff stammt von einem der wichtigsten Mythologen des 20. Jahrhunderts: Joseph Campbell. 1949 beschrieb er in seinem Standardwerk Der Heros in tausend Gestalten diesen Monomythos, der sich in zwölf archetypische Stadien einteilen läßt (Insel, Frankfurt am Main · Leipzig 1999, S. 237f.):

Der Mythenheld, der von der Hütte oder dem Schloß seines Alltags sich aufmacht, wird zur Schwelle der Abenteuerfahrt gelockt oder getragen, oder er begibt sich freiwillig dorthin. Dort trifft er auf ein Schattenwesen, das den Übergang bewacht. Der Held kann diese Macht besiegen oder beschwichtigen und lebendig ins Königreich der Finsternis eingehen (Bruderkampf, Kampf mit dem Drachen; Opfer, Zauber) oder vom Gegner erschlagen werden und als Toter hinabsteigen (Zerstückelung, Kreuzigung). Dann, jenseits der Schwelle, durchmißt der Held eine Welt fremdartiger und doch seltsam vertrauter Kräfte, von denen einige ihn gefährlich bedrohen (Prüfungen), andere ihm magische Hilfe leisten (Helfer). Wenn er am Nadir des mythischen Zirkels angekommen ist, hat er ein höchstes Gottesgericht zu bestehen und erhält seine Belohnung. Der Triumph kann sich darstellen als sexuelle Vereinigung mit der göttlichen Weltmutter (heilige Hochzeit), seine Anerkennung durch den Schöpfervater (Versöhnung mit dem Vater), Vergöttlichung des Helden selbst (Apotheose) oder aber, wenn die Mächte ihm feindlich geblieben sind, der Raub des Segens, den zu holen er gekommen war (Brautraub, Feuerraub); seinem Wesen nach ist er eine Ausweitung des Bewußtseins und damit des Seins (Erleuchtung, Verwandlung, Freiheit). Die Schlußarbeit ist die Rückkehr. Wenn die Mächte den Helden gesegnet haben, macht er sich nun unter ihrem Schutz auf (Sendung); wenn nicht, flieht er und wird verfolgt (Flucht in Verwandlungen, Flucht mit Hindernissen). An der Schwelle der Rückkehr müssen die transzendenten Kräfte zurückbleiben; der Held steigt aus dem Reich des Schreckens wieder empor (Rückkehr, Auferstehung). Der Segen, den er bringt, wird der Welt zum Heil (Elixier).

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Christopher Vogler, Script Consultant in Hollywood, adaptierte die Reise des Helden für Drehbuchautoren; sein Buch und ein Seminar bei ihm in Wien waren eine echte Offenbarung für mich! In seiner Terminologie sieht das Modell folgendermaßen aus:

Klick für größere Darstellung!

Die einzelnen Stufen müssen dabei aber nicht sklavisch eingehalten werden; die Reise des Helden läßt sich äußerst flexibel handhaben. Darauf und auf weitere Feinheiten näher einzugehen, würde jetzt den Rahmen dieses Artikels sprengen, aber wer sich etwas näher mit dieser Thematik beschäftigen möchte, dem empfehle ich als Einstieg z. B. mein kürzliches Interview mit Valentin Anker über die Reise des Helden bzw. das anschließende Gespräch mit den Zuhörern darüber.

Meine Co-Autorin Lilo Wachter und ich haben beim Pilotfilm von PANTHERION den Weg unserer Protagonistin jedenfalls so konzipiert:

 
Stadium
Violas Reise bei PANTHERION

1

Gewohnte Welt
Viola ist auf der Kunstuni; ihr Freund macht mit ihr Schluß. Sie macht einen Ausflug mit ihrer Freundin Bea und beschließt, daß sich in ihrem Leben etwas ändern muß.

2

Ruf des Abenteuers
Mehrere Rufe: Sie hört Alexander trommeln, läßt sich das Tattoo stechen, beobachtet das Team in der Taverne (währenddessen Beas Hilferuf auf dem Handy ungehört bleibt) und erleidet schließlich den Überfall des Vampirs.

3

Weigerung
Die Umstände weigern sich: Alexander kann sie abschütteln, wodurch sie den Weg ins Hauptquartier nicht findet.
Später: Sie selbst weigert sich – sie braucht “Normalität” in Form des COCAITTE-Konzerts.

4

Begegnung mit dem Mentor
Viola wird im letzten Moment von Alexander vor dem Vampir gerettet und am nächsten Morgen von Viktor besucht.
Später: Der Avatar des VR-Systems und die PANTHERION-Mitglieder klären sie über die Natur der Realität auf. / Alexander gibt ihr einen Kristall. / Das Orakel offenbart, daß Clara noch lebt.

5

Überschreiten der ersten Schwelle
Viola verfolgt Viktor, wird von ihm in den Schloßberglift gezerrt und ins Hauptquartier gebracht.

6

Bewährungsproben;
Verbündete, Feinde
Sie lernt die Organisation und die anderen Mitglieder kennen, erhält den weißen
Button (Vorwegnahme eines Aspekts der Belohnung) und muß sich schnell zurechtfinden, um zu überleben. Sie weiß nicht recht, wem sie vertrauen kann.
Später: F.A.F.N.E.R. und das Kuratorium sind Feinde, die sich Viola und dem PANTHERION-Team entgegen stellen; doch auch in deren Reihen gibt es scheinbar Verbündete (Nastya und Abteilung 42).

7

Vordringen zur tiefsten Höhle
Sie wird vom Konzert weggerufen, geht selbständig ins Hauptquartier und folgt
Viktor durch den Ausgang.

8

Entscheidende
Prüfung
Im aussichtslos erscheinenden Kampf gegen die Vampire wird sie fast getötet, ihr Tattoo macht jedoch die Vampire ihrerseits wieder zu Menschen und damit sterblich …

9

Belohnung
… und dadurch gibt es plötzlich einen Weg, Vampire zu töten. Clara meldet sich zurück.

10

Rückweg
Doch F.A.F.N.E.R. und die Vampire werden nur um so mehr auf PANTHERION aufmerksam – es wird klar, daß andere Welten das Reality Radio wollen, weil es um noch viel mehr geht als ursprünglich gedacht: den Zugang zur Paradies-Dimension!

11

Auferstehung
Viola überlebt ihre erste Reise in eine andere Dimension (das Kuratorium) und kann mit Viktor den DNA-Safe zurückbringen:

12

Rückkehr mit dem Elixier
Das Reality Radio ist damit geschützt. Außerdem schafft es PANTHERION, mehrere Portale zu anderen Dimensionen zu schließen – bis Alexander durch Viola abgelenkt ist und ihm beim letzten Ritual ein folgenschwerer Fehler unterläuft …